Dass im Besonderen hier aufgewachsene Bürgerinnen und Bürger, gewissermaßen die Ureinwohner, die Entscheidung des Ordens der Barmherzigen Brüder nicht so einfach hinnehmen wollen, verstehe ich. Schließlich ist Kneipp der Vater aller Dinge in unserer Stadt. Seine Lehre hat die Gemeinschaft geprägt und auch zu wirtschaftlichem Erfolg geführt. Die Kneipp´schen Stiftungen sind untrennbar mit Bad Wörishofen verbunden. Deshalb führt jede sie betreffende negative Entscheidung zu Turbulenzen und zur Angst, Pfarrer Kneipp und seine Lehre aus den Augen zu verlieren. Angst paralysiert aber die Suche nach geeigneten, nachhaltigen Lösungen. Die Rückkehr zur Sachlichkeit halte ich deshalb für dringend geboten.
Aus meiner Sicht stellt sich die Situation der Barmherzigen Brüder und der Stadt Bad Wörishofen wie folgt dar:
Der Orden der Barmherzigen Brüder
- ist Eigentümer der Kneipp´schen Stiftungen. Ihm gehören die Grundstücke und die Häuser Sebastianeum und Kneippianum;
- hat bekanntgegeben, dass das Kneippianum in den Jahren 2010 bis 2017 im Durchschnitt jährliche Verluste in siebenstelliger Höhe verzeichnet;
- wird zum 31.10.2018 den Betrieb des Kneippianums einstellen und hat diese unternehmerische Entscheidung als unabwendbar und unumkehrbar bezeichnet;
- müssen für die mit der Schließung einhergehenden Entlassungen von Personal, gemeinsam mit der Mitarbeitervertretung, gemäß § 112 Betriebsverfassungsgesetz einen Sozialplan zum Ausgleich oder zur Milderung der wirtschaftlichen Nachteile erstellt haben und befolgen;
- hat mitgeteilt, dass Mittel aus dem Verkaufserlös für die Existenzerhaltung des Sebastianeums zur Verfügung gestellt werden;
- steht in Kontakt mit Stellen der Bayerischen Staatsregierung, Landespolitikern, Investoren und dem Ersten Bürgermeister von Bad Wörishofen;
- sieht die Gefahr, dass die wirklich sehr gut gemeinten Initiativen, die von vielen Seiten ergriffen werden, für die Reputation des Kneippkurortes Bad Wörishofen sehr kontraproduktiv sind.
Die Stadt Bad Wörishofen als Gebietskörperschaft
- hat die unternehmerische Entscheidung mit großem Bedauern zur Kenntnis genommen;
- hat keine Rechtsgrundlage, um diese Entscheidung abzuwenden oder auf die Abwicklung der Schließung und die Entlassung von Personal einzuwirken;
- muss tätig werden, wenn ihr im weiteren Verlauf der Angelegenheit Anträge auf Abriss von Gebäuden, Tekturen, Teilungen oder Nutzungsänderung vorgelegt werden;
- hat seit vielen Jahren einen rechtskräftigen Bebauungsplan, der die Errichtung von Wohnungen grundsätzlich nicht zulässt;
- darf das Kneippianum nicht übernehmen und in Eigenregie führen, weil sie damit in einen unzulässigen Wettbewerb zur Privatwirtschaft eintreten und in Konkurrenz zu ortsansässigen Hoteliers treten würde.
Zusammengefasst und aus meiner Sicht bedeutet das:
Die Entscheidung der Barmherzigen Brüder dürfte endgültig sein. Der Orden sieht die Gefahr, dass die vielen gut gemeinten Initiativen für das Ansehen der Stadt Bad Wörishofen kontraproduktiv sind.
Mich bewegt die ernste Sorge, dass durch die vielen negativen Veröffentlichungen die Suche nach neuen Investoren empfindlich behindert, der Verkaufserlös geschmälert und damit die auch Existenz des Sebastianeums gefährdet werden kann.
Die Möglichkeiten der Stadt Bad Wörishofen als Gebietskörperschaft sind sehr begrenzt. Eine Wohnbebauung oder Umnutzung in Wohnungseigentum ist aufgrund des bestehenden Bebauungsplanes nicht zulässig. Die Stadt kann Wünsche und Vorstellungen äußern und den Bebauungsplan auch ändern, damit eine andere Nutzung als die des Kurbetriebes zulässig wird.
Zukünftige Nutzungen, die angestrebt werden könnten:
Aktuell dürfte die Nutzung des Areals für Kurbetrieb, Krankenhaus, Sanatorium oder medizinische Rehabilitation zulässig sein. Damit im Wesentlichen die Weiterführung in bisheriger Art und bisherigem Umfang durch einen neuen Eigentümer bzw. dem von ihm mit der Unternehmensführung beauftragten Betreiber.
Eine Änderung des Bebauungsplanes wäre aus meiner Sicht notwendig für den Betrieb
- eines Alten- und Pflegeheims bzw. Seniorenresidenz
- einer Fachhochschule oder Akademie mit Studentenwohnheim
- eines privat betriebenen Gymnasiums mit Internat
- eines wissenschaftlichen Institutes
- eines Zentrums zur Beruflichen Rehabilitation, Umschulung und Weiterbildung
Das sind nur ein paar Beispiele, Ideen, wie ich mir die zukünftige Nutzung des Areals vorstellen könnte und in welche Richtung ich mich bei der Suche nach Investoren bewegen würde.
Darüber und über die Vorstellungen der Kolleginnen und Kollegen hätte man in der nichtöffentlichen Sitzung des Stadtrates mit dem Ziel beraten können, der Öffentlichkeit dann in öffentlicher Sitzung eine von Allen vertretbare Haltung des Gremiums vorzustellen. Leider wurde dieser Weg per Mehrheitsbeschluss verhindert.
Wolfgang Hützler
Mitglied des Stadtrates
Vorsitzender der Fraktion der FREIEN WÄHLER